
Mit Sacituzumab Govitecan (Trodelvy®) steht seit November 2021 erstmals ein Antibody-Drug-Conjugate (ADC) ab der Zweitlinie in der Therapie des fortgeschrittenen oder metastasierten triple-negativen Mammakarzinoms (metastatic triple negative breast cancer, mTNBC) in Deutschland zur Verfügung [1]. In der Zulassungsstudie ASCENT wurde unter dem Einfluss des ADC bei mehrfach vorbehandelten Patient:innen mit mTNBC eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des Gesamtüberlebens und progressionsfreien Überlebens im Vergleich zur Kontrollgruppe erreicht [1, 2], bei gleichzeitigem Erhalt der Lebensqualität [3]. „Durch ein optimiertes Therapiemanagement sind auch unerwünschte Effekte, die unter einer solch hochaktiven Therapie auftreten können, gut handhabbar“, so das Fazit eines Expert:innen-Konsensus-Meetings, dessen Ergebnisse auf einer Pressekonferenz von Gilead vorgestellt wurden.
TNBC ist mit einem hohen Metastasierungs- und Rezidivrisiko sowie ausgeprägter Resistenz gegenüber Chemotherapie verbunden und geht somit mit einer ungünstigen Prognose für die Patient:innen einher [4-6]. Da beim TNBC verschiedene Oberflächenmarker als Angriffspunkte für etablierte Therapieansätze fehlen, können bisher nur für bestimmte Subgruppen zielgerichtete Therapien wie Immuncheckpoint- oder PARP-Inhibitoren eingesetzt werden, weshalb neue zielgerichtete Behandlungsansätze dringend benötigt werden [4]. Der hohe medizinische Bedarf gerade bei mTNBC kann nun mit Sacituzumab Govitecan adressiert werden. In der zulassungsrelevanten ASCENT-Studie wurde mit einer Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens um knapp 5 Monate (11,8 vs. 6,9) und einer Halbierung des Mortalitätsrisikos im Vergleich zur Kontrollgruppe, die mit Monochemotherapie nach Wahl des Arztes (Eribulin, Vinorelbin, Capecitabin oder Gemcitabin; Gesamtpopulation; Hazard Ratio 0,51; 95 %-KI 0,41–0,62) behandelt wurden, ein deutlicher Überlebensvorteil bei Patient:innen mit mTNBC erreicht [2].
Sacituzumab Govitecan ist das erste gegen Trop-2 gerichtete, zugelassene ADC und somit First-in-Class. „Als sehr wirksame Therapie ist Sacituzumab Govitecan trotz seiner günstigen Effekte auf die Lebensqualität auch mit Nebenwirkungen verbunden, die mit einem geeigneten Therapiemanagement jedoch gut kontrollierbar sind“, erklärte Prof. Dr. Volkmar Müller, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Gynäko-Onkologe hatte gemeinsam mit anderen Expert:innen, die bereits über Erfahrungen mit Sacituzumab Govitecan verfügen, erste konsentierte Empfehlungen für den praktischen Umgang mit dem ADC erarbeitet und stellte die wesentlichen Erkenntnisse vor. Prof. Müller: „Wir Ärzt:innen können unsere Patient:innen nur dann optimal aufklären und durch die Therapie begleiten, wenn wir selbst gut informiert sind. Deshalb müssen wir Erfahrungen teilen.“
IRR- und Antiemese-Prophylaxe durch Prämedikation
Trodelvy® ist als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patient:innen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem TNBC indiziert, die zuvor zwei oder mehr systemische Therapien erhalten haben, darunter mindestens eine gegen die fortgeschrittene Erkrankung [1]. Das ADC wird intravenös an den Tagen 1 und 8 eines 21-tägigen Behandlungszyklus in einer Dosierung von 10 mg/kg über 3 Stunden (in späteren Zyklen 1 bis 2 Stunden) appliziert [1]. Vor jeder Infusion wird laut Prof. Müller eine Prämedikation empfohlen, um infusionsbedingten Reaktionen (IRR), insbesondere aber Übelkeit und Erbrechen vorzubeugen. Beides wurde in der ASCENT-Studie häufig beobachtet (Übelkeit 57 %; Erbrechen 29 %; Grad 3/4: 3 % bzw. 1 %).2 Zur IRR-Prophylaxe empfehlen die Expert:innen eine Zwei- oder Dreifachkombination aus H1– oder H2 Blockern (z. B. Clemastin) und Antipyretika (z. B. Paracetamol), ggf. ergänzt durch ein Kortikosteroid (Dexamethason, falls nicht zur Antiemese-Prophylaxe verabreicht) [7]. Zur Antiemese-Prophylaxe sollte vor der Behandlung mit dem moderat emetogenen ADC [7] die Kombination aus Dexamethason (8 mg, max. 12 mg) mit einem 5HT3– und ggf. einem NK1-Rezeptorantagonisten gegeben werden [8]. Sollten trotz antiemetischer Dreifachprophylaxe persistierende(s) Erbrechen/Übelkeit auftreten, kann laut Prof. Müller die Gabe von Olanzapin als Off-Label-Use erwogen werden [8].
Neutropenien vorbeugen und managen
Neutropenien zählten in der ASCENT-Studie zu den häufigsten Nebenwirkungen von Sacituzumab Govitecan. Sie wurden bei 63 % der Teilnehmer:innen (Grad 3/4: 51 %) dokumentiert, febrile Neutropenien Grad 3/4 bei 6 % [2].Eine sekundäre Neutropenie-Prophylaxe mit G-CSF über 2 bis 3 Tage (Tag 2–3/4 bzw. 9–10/11 des Zyklus) kann Prof. Müller zufolge bei allen Patient:innen unter Sacituzumab Govitecan routinemäßig erwogen werden [7,9]. Zum Management auftretender Neutropenien werden unterschiedliche Maßnahmen wie Dosisreduktionen von Sacituzumab Govitecan oder die G-CSF-Gabe empfohlen: beim ersten Auftreten einer schweren Neutropenie die Gabe von G-CSF (ebenfalls über 2 bis 3 Tage; Tag 2–3/4 bzw. 9–10/11 des Zyklus) ohne Dosisreduktion von Sacituzumab Govitecan (außer Alter und Zustand der Betroffenen erfordern dies), beim zweiten und dritten Auftreten eine Dosisreduktion um 25 % bzw. 50 % [1,7]. Tritt zum vierten Mal eine Neutropenie auf, muss die Behandlung abgebrochen werden [1]. Bei schweren Neutropenien von Grad 3/4, die die Therapie mit Sacituzumab Govitecan um mehr als 3 Wochen verzögern, kann die Behandlung erst beginnen, wenn sich die Neutropenie ohne G-CSF-Applikation auf ≤ Grad 1 verbessert [1]. „Bevor man die Behandlung abbricht, sollte allerdings eine G-CSF-Gabe erwogen werden. Diese kann wie bei anderen Chemotherapien auch vorbeugend gegeben werden“, erklärte Prof. Müller.
Diarrhoen entgegenwirken
In der ASCENT-Studie zählten Diarrhoen mit einer Häufigkeit von 59 % (Grad 3: 10 %) zu den vermehrt auftretenden Nebenwirkungen unter Sacituzumab Govitecan [2]. Akute Diarrhoen bis Grad 2 werden laut Prof. Müller, sofern kein seltenes cholinerges Syndrom besteht, standardmäßig mit Loperamid behandelt (4 mg, bei jeder weiteren Diarrhoe 2 mg bis zu 16 mg/Tag) [7,8], idealerweise ergänzt durch eine Anpassung der Ernährung. Persistieren die Durchfälle, empfehlen die Expert:innen, entweder Loperamid in hoher Dosis (4 mg plus 2 mg alle 2 Stunden) [7] oder Opiumtinktur zu verabreichen [9]. Wenn die Diarrhoe anhält, kann ein stationärer Aufenthalt erwogen werden. Führt auch dieses Vorgehen binnen 24 Stunden nicht zum Erfolg, zählen die Gabe von Octreotid (100–150 µg s.c. 3 x tgl.) und die intravenöse Flüssigkeitsgabe zu den empfehlenswerten weiteren Maßnahmen [7]. Bei schweren Diarrhoen ab Grad 3 sollte laut Prof. Müller eine stationäre Behandlung erwogen werden, bei der intravenös Flüssigkeit sowie subkutan Octreotid verabreicht wird [7]. Nach mikrobiologischer Untersuchung des Stuhls sei zudem ggf. eine Antibiose indiziert [7].
„Eindeutig positives Nutzen-Risiko-Profil“
Prof. Müllers Fazit: Sacituzumab Govitecan weise für Patient:innen mit vorbehandeltem mTNBC ein „eindeutig positives Nutzen-Risiko-Profil auf“, sodass eine Therapie möglichst früh entsprechend der Zulassung in Betracht gezogen werden sollte. Nebenwirkungen seien bei frühzeitigem Erkennen und optimaler Versorgung in der Regel reversibel. Zu Therapiebeginn komme es auf engmaschige Kontrollen sowie auf eine umfassende Aufklärung der Patient:innen an. „Ein so optimiertes Therapiemanagement kann dazu beitragen, den möglichen klinischen Nutzen von Sacituzumab Govitecan voll auszuschöpfen.“
Literatur:
1. Fachinformation Trodelvy® 200 mg, Stand November 2021
2. Bardia A et al. NEJM 2021; 384(16): 1529–41
3. Loibl S et al. Ann Oncol 2021; 32(suppl_5): 457–515
4. Gupta GK et al. Cancers 2020; 12(9): 2392
5. https://www.cancer.org/cancer/breast-cancer/about/types-of-breast-cancer/triple-negative; zuletzt aufgerufen am 15.02.2022
6. https://www.breastcancer.org/symptoms/types/triple-negative; zuletzt aufgerufen am 15.02.2022
7. Spring LM et al. Oncologist 2021; 26: 827-34
8. S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen, Langversion 1.3 – Februar 2020; https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Supportivthera pie/LL_Supportiv_Langversion_1.3.pdf; zuletzt aufgerufen am 01.03.2022
9. Gilead Sciences GmbH, „Sacituzumab Govitecan beim metastasierten triple-negativen Mammakarzinom: Hin-weise zum Therapiemanagement“, Ergebnisse des Steering-Committee-Meetings „Therapiemanagement Sacituzumab Govitecan” mit den Teilnehmenden Prof. Dr. med. Volkmar Müller, Hamburg, Dr. med. Katharina Smetanay, Heidelberg, Prof. Dr. med. Hans Tesch, Frankfurt und Dr. med. Joke Tio, Münster, virtuell, 26.10.2021, Veranstalter: Gilead Sciences GmbH, publiziert in Oncology Research and Treatment 2022; 45(3)
Quelle: Pressekonferenz „Sacituzumab Govitecan bei mTNBC: Erste Praxis-Empfehlungen für ein optimales Therapiemanagement“, virtuell, 07. März 2022; Veranstalter: Gilead Sciences GmbH