
Patientinnen und Patienten mit Krebs können während der Pandemie nicht immer unmittelbar nach der Diagnose operiert werden, weil Intensivkapazitäten für COVID-19-Erkrankte vorgehalten werden müssen. Das Warten kann zu einer schlechteren Prognose der Betroffenen führen. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) erinnert daran, dass die Strahlentherapie in vielen Fällen eine gleichwertige Alterative darstellt bzw. auch eingesetzt werden kann, um das Krebswachstum einzudämmen und die Zeit bis zur OP zu überbrücken.
Wenn durch die Corona-Pandemie Notfallpläne greifen, werden planbare Operationen verschoben. Krebsoperationen fallen zwar offiziell nicht darunter, aber vielerorts gibt es Berichte, dass die Realität doch anders aussieht: Bei Auslastung aller Ressourcen und Betten in den Krankenhäusern der stark betroffenen Regionen werden auch Krebspatientinnen und -patienten unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt [1].
Die DEGRO warnt vor einer Unterversorgung von Krebspatientinnen und -patienten, die de facto schon vielerorts Realität ist – und verweist darauf, die Strahlentherapie vermehrt als Ersttherapie oder zumindest „Brücken-Therapie“ einzusetzen. Bei vielen Krebsindikationen wäre die Strahlentherapie ohnehin eine gleichwertige Alternative zur Operation, wie beispielsweise beim Prostatakrebs. Die Daten zeigten, dass die Bestrahlung in vielen Fällen ebenso wirksam wäre wie die OP, die S3-Leitlinie [2] stufe sie daher als gleichwertig zur operativen Therapie ein.
Strahlentherapie weniger abhängig vom Pandemiegeschehen
Während Operationen Intensivkapazitäten erfordern und somit von der Pandemielage abhängig sind, könnte die Strahlentherapie jenseits des Pandemiegeschehens – auch in der Ambulanz – sicher und weitgehend routinemäßig durchgeführt werden, wie sie in den vergangenen Pandemiewellen unter Beweis gestellt hätte. Und bei Überlastung der Geräte- und/oder Personalkapazitäten in der Strahlentherapie bestünde immer noch die Möglichkeit, das sogenannte Fraktionierungsschema zu ändern und so mehr Kapazitäten zu schaffen: Statt die Betroffenen häufiger mit geringeren Dosen zu bestrahlen, könne die Strahlentherapie auch mit weniger Sitzungen, aber höheren Dosen erfolgen – entscheidend für den Therapieerfolg ist die verabreichte Gesamtdosis.
Prof. Dr. Cordula Petersen, Präsidentin der DEGRO, appelliert daher an ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Onkologie, die die Betroffenen im Hinblick auf ihre Therapieplanung beraten, frühzeitig die Strahlentherapie als sinnvolle Alternative zu berücksichtigen: „Wenn die Daten zeigen, dass OP und Strahlentherapie vom Ergebnis her gleichwertig sind, kann man angesichts der epidemischen Lage und Versorgungsengpässen auf den Intensivstationen den Menschen guten Gewissens zur Strahlentherapie als Erstlinientherapie raten. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, gibt es häufig die Möglichkeit, das Therapieregime umzustellen, also zunächst mit der Strahlentherapie zu beginnen und anschließend zu operieren. Die veränderte Therapiereihenfolge führt in vielen Fällen nicht zu Überlebenseinbußen und kann in der jetzigen Situation sinnvoll sein.“
Literatur:
- Artikel in der TZ München vom 29.11.2021: Münchner Klinikdirektor gibt erschütternden Corona-Einblick – „Realität schaut längst ganz anders aus“. (>>zum Beitrag)
- Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Version 0.5.0 (Konsultationsfassung) – September 2017. (>>zur Leitlinienversion 0.5.0)
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie