
Heute ist für Prof. A. Stenzinger, Heidelberg, diese Form der komplexen und sich wiederholenden Analytik eines Tumorgenoms von 1 Patienten gewöhnt, dass eine Zentralisierung der Labors voraussetzt, das das leisten kann. Zum einen sieht Stenzinger den Mangel an gut ausgebildetem Personal (IT-Spezialisten und Molekulargenetiker) als Problem und die Interdisziplinarität als extreme Herausforderung.
Geräte , die vor ein paar Jahren angeschafft wurden, sind heute schon veraltet und das Probenvolumen steigt unaufhörlich – d.h. man brauche Investitionsvolumen und Innovationsfreude. Das, so Stenzinger, bleibe im Uni-Setting schwierig.
Desuki verwies auf das Paradebeispiel ‚Lungenkarzinom‘, von dem man eine zunehmende Anzahl von Alterationen kennt. „Bis zu 30 % der Mutationen können wir aktuell schon zielgerichtet ohne die Immuntherapien gerechnet targetieren“, sagte er.
Circa 12 bis 30 % aller EGFR-Mutationen sind UC EGFR Mutationen und sind selten. Hier ist Afatinib wirksam (außer bei T790M und Exon20ins). Durch das deutsche Lungen-Sequenzier-Netzwerk nNGM wurde klar, dass auch unbekannte Mutationen auf EGFR-TKI’s reagieren. „Ich kann Sie nur ermutigen, bei seltenen Mutationen auf nNGM-Zentren zurück zu kommen“, empfahl Desuki.
Der bispezifische Antikörper Amivantamab bindet an EGFR und an MET und bietet bei fortgeschrittenem bzw. metastasiertem NSCLC und Exon20-Insertions(Ex20ins)-Mutationen eine Perspektive. Denn die CHRYSALIS-Studie belegt für Amivantamab eine gute Wirksamkeit bei Nachweis einer Ex20ins-Mutation und bei Platin-Vorbehandlung. Das Ansprechen lag bei 40 % in der 2L und die Dauer des Ansprechens bei 11,1 Monaten. Das mediane progressionsfreie Überleben (mPFS) betrug 8,3 Monate und das mediane Gesamtüberleben (mOS) 22,8 Monate, erläuterte Desuki. „Das sind gute Daten in einer Population, die sich schon jenseits der zweiten Therapielinie befindet“, kommentierte er.
Nur 4% brachen die Therapie ab, d.h. Amivantamab war gut verträglich und wird gewichtsadaptiert verabreicht. Infusionsreaktionen waren zwar häufiger (66%), aber selten waren sie > Grad III. Leichtere Diarrhoen gab es bei 10-12 %. Amivantamab steht kurz vor der Zulassung in Deutschland.
Mobocertinib ist noch in der Prüfung, aber konnte in einer gepoolten Kohorte bei 114 Patienten ein mOS von 24 Monaten erzielen. Mit dem Härtefallprogramm lassen sich die Substanzen bereits einsetzen, um die seltene Alteration zu targetieren, meinte Desuki.
Der nächste wichtige zu lernende Begriff ist BRCAness. Damit ist gemeint, dass man mehr Patienten damit identifizieren möchte, die auf PARP-Inhibitoren oder Platin ansprechen und für die sich aber keine BRCA-Mutation nachweisen lässt. Im Moment ist jedoch der Stellenwert der Non-BRCA-HRD-Mutation noch ungeklärt. Daher brauche man neue Marker und Desuki verwies auf HRD. Denn es gibt Patienten, die HRD-positiv sind und BRCA-Wildtypen (ca. 19 %) und fürs Ovarialkarzinom habe man damit einen hervorragenden Marker.
Während sich die NTRK-Fusion als insgesamt zu selten erweist, weil sie bei häufigen Tumoren selten vorkommt und bei seltenen Tumoren häufig ist, stehe schon die RET-Fusion in den Startlöchern (zugelassen beim Lungen- und Schilddrüsenkarzinom).
Die vier FGFR-Mutationen sind häufiger und finden sich im Urothel (hier Erdafitinib Pan-FGFR-Inhibitor mit guten Daten), in der Brust, im Endometrium, Lunge und Ovar. Die RANGNAR-Studie rekrutiere dazu noch.
Autorin: Dr. med. Nana Mosler
Quelle: Industriesymposium „Präzisionsmedizinische Therapiestrategien seltener genetischer Alterationen aus Sicht der Onkologie“, anl. des 18. AIO (Arbeitsgemeinschaft internistischer Onkologen) Herbstkongress in Berlin (Hybrid), 18. November 2021. Veranstalter: Janssen Oncology