
Ticagrelor (Brilique®) in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS) ist im direkten Vergleich zu Clopidogrel plus ASS in der Prävention von sekundären Schlaganfällen mit Vorteilen assoziiert. Das zeigen Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie CHANCE-2 (Clopidogrel in High-risk patients with Acute Non-disabling Cerebrovascular Events-2) [1]. Bei Patient:innen mit leichtem ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA), die Träger von CYP2C19-Loss-of-Function (LOF)-Allel-Varianten waren, sank die Inzidenz eines nachfolgenden Schlaganfalls unter dualer antithrombozytärer Therapie (DAPT) mit Ticagrelor innerhalb von 90 Tagen um 23 % [1]. Das Risiko für moderate oder schwere Blutungen unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht, wobei leichtere Blutungsereignisse bei PatientInnen unter DAPT mit Ticagrelor häufiger auftraten [1]. Die Daten zu Ticagrelor untermauern bereits bekannte Studienergebnisse mit Ticagrelor zur Prävention von Schlaganfällen [2, 3].
Vergleiche zwischen Ticagrelor und Clopidogrel zur Sekundärprävention von Schlaganfällen bei Trägern mit CYP2C19-Funktionsverlust sind bisher nicht umfassend durchgeführt worden. Die CHANCE-2-Studie wurde konzipiert, um zu ermitteln, ob Ticagrelor plus ASS dem Pro-Drug Clopidogrel plus ASS bei CYP2C19-LOF-Allelträgern überlegen ist. Untersucht wurden Teilnehmer, die einen akuten ischämischen Schlaganfall oder eine TIA aufwiesen [1]. Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie schloss chinaweit insgesamt 6.412 PatientInnen ab 40 Jahre aus 202 Zentren ein, wobei 3.205 PatientInnen Ticagrelor erhielten und 3.207 PatientInnen Clopidogrel [1]. Innerhalb von 24 Stunden nach Einsetzen der Symptome erhielt die Ticagrelor-Gruppe eine Initialdosis mit 180 mg Ticagrelor an Tag 1 gefolgt von 90 mg Erhaltungsdosis zweimal täglich an den Tagen 2 bis 90 plus Clopidogrel-Placebo [1]. Parallel bekam die Clopidogrel-Gruppe eine Initialdosis mit 300 mg Clopidogrel an Tag 1 gefolgt von 75 mg Erhaltungsdosis einmal täglich an den Tagen 2 bis 90 plus Ticagrelor-Placebo [1]. Beiden Gruppen wurde ASS für 21 Tage verabreicht. Das mediane Alter der ProbandInnen betrug 64,8 Jahre, wobei 33,8 % der PatientInnen weiblich waren und 98 % der ethnischen Gruppe der Han-Chinesen angehörten [1].
Ticagrelor reduziert Risiko von Schlaganfällen bei TrägerInnen mit CYP2C19-Funktionsverlust
Die Rate neuer ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfälle nach 90 Tagen (primärer Endpunkt der Studie) betrug mit 191 Fällen 6 % in der Ticagrelor-Kohorte und mit 243 Fällen 7,6 % in der Clopidogrel-Kohorte (Hazard Ratio, 0,77; 95 % Konfidenzintervall, 0,64–0,94; P=0,008) [1]. Die sekundären Endpunkte gingen in der Regel in dieselbe Richtung wie der primäre Endpunkt: Ein neuer Schlaganfall trat innerhalb von 30 Tagen bei 156 PatientInnen (4,9 %) in der Ticagrelor-ASS-Gruppe und bei 205 PatientInnen (6,4 %) in der Clopidogrel-ASS-Gruppe auf [1]. Kardiovaskuläre Events, ein weiterer sekundärer Endpunkt, definiert als eine Kombination aus Schlaganfall, TIA, Myokardinfarkt oder Tod aus vaskulären Ursachen, wurden in 7,2 % und 9,2 % der Fälle beobachtet [1]. Der primäre Sicherheitsendpunkt, definiert als Risiko moderater oder schwerer Blutungen, war in beiden Gruppen vergleichbar: Moderate oder schwere Blutungen traten jeweils in 0,3 % der Fälle auf; dies entsprach 9 Ereignissen in der Ticagrelor-Gruppe sowie 11 in der Clopidogrel-Gruppe [1]. Bezüglich intrakranieller Blutungen wurden drei Fälle (0,1 %) in der Ticagrelor- und sechs Fälle (0,2 %) in der Clopidogrel-Gruppe beobachtet [1]. In Bezug auf Blutungen jeglicher Art, war die Inzidenz der ProbandInnen unter Ticagrelor höher als die unter Clopidogrel (5,3 % vs. 2,5 %) [1]. Dieses Ergebnis war hauptsächlich auf leichte Blutungen zurückzuführen. Unerwünschte Ereignisse traten bei 540 PatientInnen (16,8 %) in der Ticagrelor-ASS-Gruppe auf, verglichen mit 427 PatientInnen (13,3 %) in der Clopidogrel-ASS-Gruppe [1]. Dyspnoe und Herzrhythmusstörungen traten bei Ticagrelor häufiger auf als bei Clopidogrel und waren die Hauptursachen für Abweichungen hinsichtlich der Abbruchrate zwischen den Gruppen [1].
CHANCE-2-Daten unterstützt Ergebnisse weiterer Studien zu Ticagrelor
Die CHANCE-2-Studie liefert Hinweise einer überlegenen klinischen Wirksamkeit der dualen Thrombozytenhemmung mit Ticagrelor gegenüber einer DAPT mit Clopidogrel bei Schlaganfall und TIA-PatientInnen mit CYP2C19-LOF-Allelen [1]. Die Ticagrelor-Ergebnisse aus der CHANCE-2-Studie untermauern vorangegangene Ergebnisse der THALES-Studie (Acute Stroke or Transient Ischaemic Attack Treated With Ticagrelor and ASA for Prevention of Stroke and Death) [2] und der PRINCE-Studie (Platelet Reactivity in Acute Non-disabling Cerebrovascular Events) [3]. Bei Letzterer wiesen mit Ticagrelor plus ASS behandelte PatientInnen mit leichtem Schlaganfall oder TIA, eine geringere Thrombozytenreaktivität auf als jene, die mit Clopidogrel plus ASS behandelt wurden, insbesondere bei Trägern der CYP2C19-LOF-Allele [3]. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie THALES zeigten zudem, dass Ticagrelor plus ASS Schlaganfälle oder Tod bei Schlaganfall- und TIA-PatientInnen effektiver verhindert als ASS allein [2].
Hintergrund und Relevanz der CHANCE-2-Studie
Für PatientInnen mit akutem leichtem Schlaganfall oder einer TIA liegt das Risiko eines weiteren Schlaganfalls innerhalb der ersten drei Monate nach dem ersten Ereignis bei etwa 5—10 % [4–6]. Studien haben gezeigt, dass DAPT das Risiko von Folgeereignissen im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie verringert [3, 7, 8]. In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden klinischen Phase-III-Studie konnte für Ticagrelor gezeigt werden, dass Ticagrelor plus ASS bei der Prävention von Schlaganfällen und Tod in dieser PatientInnengruppe effektiver war als ASS allein [3]. Allerdings gibt es genetisch bedingt Unterschiede im Therapieansprechen von DAPT. Von Nicht-Ansprechen ist besonders Clopidogrel betroffen [9, 10]. Verantwortlich dafür sind die LOF-Allele des CYP2C19 Gens. Clopidogrel ist ein Pro-Drug, welches durch das Cytochrom-p450-Enzym CYP2C19 in seinen aktiven und wirksamen Metaboliten umgewandelt werden muss [1]. In 25 % der weißen sowie 60 % der asiatischen PatientInnen sind jedoch die LOF-Allel-Varianten ausgeprägt [9]. Im Vergleich zu Clopidogrel benötigt Ticagrelor für seine reversible, thrombozytenhemmende Wirkung keine metabolische Aktivierung [1]. In dem Zusammenhang konnte in der neuen CHANCE-2-Studie bei PatientInnen mit leichtem ischämischem Schlaganfall oder TIA inklusive CYP2C19-LOF-Allelvarianten eine Überlegenheit von Ticagrelor in der Prävention von sekundären Schlaganfällen festgestellt werden [1].
*Ticagrelor ist bisher nicht zur Prävention von Schlaganfällen und transitorischen ischämischen Attacken zugelassen.
Literatur:
- Wang Y et al. N Engl J Med 2021; 10.1056/NEJMoa2111749. Doi: 10.1056/NEJMoa2111749
- Johnston SC et al. N Engl J Med 2020; 383(3): 207–217. Doi: 10.1056/NEJMoa1916870
- Wang Y. et al. BMJ 2019; 365, l2211; 10.1136/bmj.l2211. Doi: 10.1136/bmj.l2211
- Amarenco P et al. N Engl J Med 2016; 374(16): 1533–1542. Doi: 10.1056/NEJMoa1412981
- Shahjouei S et al. [published correction appears in JAMA Neurol 2021 Jan 1; 78(1): 120]. JAMA Neurol 2021; 78(1): 77–87. Doi: 10.1001/jamaneurol.2020.3627
- Pan Y et al. [published correction appears in JAMA Neurol 2019 Sep 30;:] [published correction appears in JAMA Neurol 2021 Aug 16;:null]. JAMA Neurol 2019; 76(12): 1466–1473. Doi: 10.1001/jamaneurol.2019.2531
- Wang Y et al. N Engl J Med 2013; 369(1): 11–19. Doi: 10.1056/NEJMoa1215340
- Johnston SC et al. N Engl J Med 2018; 379(3): 215–225. Doi: 10.1056/NEJMoa1800410
- Pan Y et al. Circulation 2017; 135(1): 21–33. Doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.116.024913
- Wang Y et al. JAMA 2016; 316(1): 70–78. Doi: 10.1001/jama.2016.8662
Quelle: AstraZeneca GmbH