
Ob ein RET-Inhibitor (RET-I) zur Verfügung steht, wie es jetzt der Fall ist, oder nicht, verdeutlichte PD Dr. med. Niels Reinmuth, München-Gauting, anhand eines Fallbeispiels einer Patientin mit RET-Fusion, die im Jahr 2019 zunächst noch ohne diese zielgerichtete Medikation behandelt werden musste. Auf einem von Lilly Oncology unterstützten Satellitensymposium während der DGHO-Jahrestagung erinnerte Prof. Dr. med. Hans-Georg Kopp, Stuttgart, zudem an die Zulassungsstudie von Selpercatinib.
Die eigene Patientin, von der Reinmuth berichtete, war 39 Jahre alt und hatte ein kleines Kind als bei ihr die Diagnose eines primären Adenokarzinoms der Lunge Anfang 2019 gestellt wurde. Die Patientin befand sich im Stadium IVb, weil bereits Metastasierungen vorhanden waren, auch Hirnmetastasen. „Sie war – begreiflicherweise – verzweifelt und fragte mich wie sie als Nieraucherin einen Lungenkrebs entwickeln konnte“, beschreibt Reinmuth die Ausgangssituation.
Bei solchen Patienten (jung, Nieraucher), betont der Pneumologe, muss in jedem Fall eine breite molekulare Testung durchgeführt werden, weil bei ihnen zu mindestens 50 % eine Treibermutation vorliegt. „Testen Sie auch auf seltene Gen-Abberation, für die eventuell aktuell noch keine zugelassene Therapie vorliegt“, appellierte er an das Auditorium.
„Selbst wenn eine Genalteration sehr selten vorkommt, wie die RET-Fusion, wie wir sie bei dieser Patientin gefunden haben, kann auch eine Prävalenz von nur 1 % für den Patienten 100 % Unterschied ausmachen.“ Zum damaligen Zeitpunkt war noch kein RET-Inhibitor zugelassen. In eine entsprechende Studie konnte diese Patientin erst später eingeschleust werden.
Daher wurde zunächst eine Chemoimmuntherapie verabreicht (PD-L1 Status ca. 60%), um Zeit zu gewinnen. Diese Therapie hatte einen moderaten Erfolg. Ab Ende 2019 konnte sie dann Selpercatinib (Retsevmo®) in einer Studie erhalten. Sie hat den RET-I gut vertragen, lediglich eine leichte Hypertonie und Leberenzymerhöhung waren problemlos zu managen. Die Therapie war effektiv und führte zu einer Remission, ihre Lebensqualität konnte wieder als normal bezeichnet werden. „Bis heute“, resümiert Reinmuth, „ist kein Progress detektierbar, die Patientin ist weiterhin sportlich aktiv, berufstätig und kann sich um ihr Kind kümmern.“
Hohe Response in Zulassungsstudie
Dies bestätigt die Ergebnisse, welche von Selpercatinib in der Zulassungststudie vorliegen, welche Kopp referierte. In der Phase I/II Studie LIBRETTO-001 hatten 105 Studienteilnehmer ein nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom (NSCLC) mit bestätigter RET-Fusion, von denen nahezu alle Patienten zuvor eine platinbasierten Chemotherapie erhalten hatten. Viele Patienten hatten zudem auch Checkpoint-Inhibitoren und/oder Multikinase-Hemmer erhalten. Und rund ein Drittel wiesen Hirnmetastasen auf, sagte Kopp.
Die Behandlung mit Selpercatinib ermöglichte im primären Endpunkt eine objektive Ansprechrate (ORR) von 64 %. Nach einem Jahr sind zwei Drittel der Patienten noch in Remission gewesen, betont Kopp. Außerdem hatten 20 von 23 Patienten ein Ansprechen auf die Hirnmetastasen [1].
„Die selektive Hemmung von RET ist ein Meilenstein der personalisierten Krebsmedizin“, formulierte Kopp. Selpercatinib ist in der Zweitlinie außerdem für bestimmte Schilddrüsenkarzinome zugelassen.
Literatur:
1. Drilon A et al., N Engl J Med 2020; 383: 813-24
Autor: Reimund Freye
Quelle: Satellitensymposium: RET im Fokus: Neue Meilensteine der zielgerichteten Therapie, im Rahmen der Jahrestagung 2021 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 3. Okt. 2021; Veranstalter: Lilly Oncology