
Wann beginnt Palliativmedizin und wie können an Krebs erkrankte schon frühzeitig unterstützt werden? Das diskutierten drei Expertinnen und Experten auf medizinischer, psychologischer und versorgungsstruktureller Ebene.
Prof. Anne Letsch, Onkologin aus Kiel, wendet sich gegen die traditionelle Vorstellung einer strikten Trennung von Kuration und Palliation bei Krebs. Palliation setze bereits an, wenn eine Krankheit lebensbedrohlich ist: „Palliativversorgung ist nicht ausschließlich Behandlung am Lebensende oder Hospizbetreuung, sondern sollte parallel zu krankheitsbezogenen Therapien angewendet werden.“
Für behandelnde Ärztinnen und Ärzte bedeutet das, bereits vor einer krankheitsbedingten Krise oder Belastungssituation mit den Betroffenen mögliche Szenarien zu besprechen. Diese vorausschauende Versorgungsplanung (ACP) wird auch in der S3-Leitlinie empfohlen und schließt u. a. das Benennen eines Vorsorgebevollmächtigten oder die Klärung von Behandlungsgrenzen ein [1]. Mehrere Studien hätten gezeigt, so Prof. Bernd Alt-Epping, Palliativmediziner aus Heidelberg, dass ACP lebensverbessernd und sogar lebensverlängernd wirkt: „Dieses Konzept von frühzeitiger Palliativversorgung funktioniert, zumindest sprechen die Studien dafür.“ Er ermutigte die Behandelnden zu dieser schwierigen Kommunikation, denn „die Betroffenen tragen diese Gedanken ohnehin in sich“.
Über weitere psychische Belastungen, die auch an Hautkrebs erkrankte Personen besonders umtreiben, sprach Prof. Tanja Zimmermann, Psychologin aus Hannover. Für viele steht das Thema Schuld im Vordergrund. Immer noch sei eine Psychologisierung von Krebs als „Krankheit der Seele“ weit verbreitet und führe zu quälenden Selbstbeschuldigungen. Viele leiden auch unter Scham aufgrund ihres veränderten Körperbildes. „Das führt oft dazu, dass die Patientinnen und Patienten sich aus der sozialen Öffentlichkeit zurückziehen. Deshalb ist es wichtig, in der psychoonkologischen Behandlung den Fokus auch auf das Körperbild zu legen.“
Insgesamt, so Letsch, sei der Bedarf in der Palliativversorgung von Hautkrebs steigend. Mit den neuen Kombinationstherapien lebten die Betroffenen länger bei besserer Lebensqualität. Aber sie seien auch immer älter und hätten einen reduzierteren Allgemeinzustand.
Literatur:
- S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung“, Stand: September 2020
Quelle: Palliativmedizin, Online-Sitzung auf dem 31. Deutschen Hautkrebskongress, 9.9.2021, 10.30-11.30 Uhr