
Das Endometriumkarzinom (EC) ist die fünfthäufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Die Prognose ist bei früher Diagnose und rechtzeitiger Therapie meist gut, ein im Spätstadium erkanntes und rezidivierendes Endometriumkarzinom geht jedoch mit einer deutlich schlechteren Prognose einher [1]. Dadurch ist das EC der gynäkologische Tumor mit der zweithöchsten Mortalität in Deutschland [1, 2]. Für Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom mit Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR)/hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), das während oder nach einer Platin-basierten Chemotherapie progredient ist, gibt es seit April 2021 eine neu zugelassene Behandlungsoption: Mit Dostarlimab (Jemperli) steht diesen Patientinnen der erste und einzige zugelassene anti-programmed cell death protein-1 (PD-1)-Antikörper in Europa zur Verfügung [3].
Seit dem 15. Juni 2021 ist Dostarlimab auch in der Lauer-Taxe gelistet und somit in Deutschland verfügbar. Im Rahmen eines GSK-Launch-Webcasts stellten namhafte Experten aus der gynäkologischen Onkologie und Pathologie interessierten Teilnehmer*innen die Studienergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit des PD-1-Antikörpers Dostarlimab sowie die Voraussetzungen für dessen Einsatz vor.
Endometriumkarzinom: Immuntherapie mit Dostarlimab
„Letztlich sind die Patientinnen mit einem rezidivierten oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom mit einer wirklich schlechten Prognose behaftet“, leitete Prof. Dr. med. Frederik Marmé, Universitätsmedizin Mannheim, ein. Mit einem 5-Jahres-Überleben von nur 17 % haben diese Patientinnen eine äußerst schlechte Prognose, die Chance eines Therapieansprechens auf eine Einzelwirkstoff-Chemotherapie sinkt zusätzlich mit jeder weiteren Therapielinie [1, 4–6]. Für die Rezidivbehandlung werden nach der aktuellen S3-Leitlinie eine Radiotherapie, eine medikamentöse Therapie mit Chemotherapeutika und – im Falle eines positiven Hormonrezeptorstatus – eine endokrine Therapie empfohlen, wobei die Evidenz der Therapieoptionen nur sehr gering ist [7]. Das Endometriumkarzinom weist in bis zu 30 % der Fälle Defekte im Mismatch-Reparatur-System und eine hohe Mikrosatelliteninstabilität auf [1, 8]. Die Folge ist eine vermehrte Expression des programmed cell death protein Ligand 1 (PD-L1) auf den malignen Zellen, wodurch die körpereigene Immunantwort gegen die Tumorzelle unterdrückt werden kann. Genau dort kann Dostarlimab als PD-1-Inhibitor angreifen und die Antitumor-Antwort der Immunzellen unterstützen [3, 9].
Die Wirksamkeit und die Sicherheit von Dostarlimab wurden in der multizentrischen, nicht kontrollierten, offenen Phase-1/2-Studie GARNET mit mehreren Parallelkohorten untersucht. Für die Wirksamkeitspopulation wurden die Daten von 108 Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem dMMR/MSI-H Endometriumkarzinom aus der Kohorte A1 ausgewertet. Unter der Behandlung mit Dostarlimab wurde hier eine objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR) von 43,5 % (95%-KI: 34,0–53,4) beobachtet, die Krankheitskontrollrate (disease control rate, DCR) lag bei 55,6 % (95%-KI: 45,7–65,1). Die Wahrscheinlichkeit, ein anhaltendes Ansprechen auf die Dostarlimab-Therapie aufrechtzuerhalten, lag nach einem Jahr noch bei über 90 % [3].
Die Sicherheit von Dostarlimab wurde bei insgesamt 515 Patient*innen mit fortgeschrittenen soliden Tumoren untersucht, einschließlich 129 Patientinnen mit dMMR/MSI-H Endometriumkarzinom. Laut der Sicherheitsanalyse der GARNET-Studie waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse (> 10 %) Anämie (25,6 %), Übelkeit (25,0 %), Diarrhö (22,5 %), Erbrechen (18,4 %), Arthralgie (13,8 %), Pruritus (11,5 %), Hautausschlag (11,1 %) Fieber (10,5 %), und Hypothyreose (10,1 %). Nur 3,3 % der Patient*innen brachen die Behandlung in der Studie aufgrund eines behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisses ab. Alle Patient*innen erholten sich von den infusionsbedingten Reaktionen [3]. „Die klinische Sicherheit und Verträglichkeit ist gut“, resümierte Prof. Marmé.
MMR/MSI-Testung beim Endometriumkarzinom
„Das Endometriumkarzinom haben wir bislang eher nach histologischer Typisierung, Malignitätsgrad und Stadium behandelt. Die Behandlungsstrategie ist bislang darauf ausgerichtet gewesen. Wir befinden uns nun in einem Umbruch, denn man sieht, es sind ganz wichtige molekulare Classifier, die wir bei der Befundung des Endometriumkarzinoms berücksichtigen müssen“, betonte Prof. Dr. med. Josef Rüschoff, Targos Molecular Pathology GmbH, Kassel. Etwa ein Drittel aller ECs werden positiv auf dMMR/MSI-H getestet und gehen mit einer hohen Mutationslast einher, weswegen Endometriumkarzinome zu den genetisch instabilsten soliden Tumoren gehören [10–12]. Da sich aus dem Vorliegen oder Fehlen einer genetischen Instabilität Konsequenzen für die Behandlung ergeben können, empfehlen die ESMO-Leitlinien eine zweistufige Testung des MMR/MSI-Status [13]. Zunächst werden dabei die Mismatch-Reparaturproteine (MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2) mittels einer immunhistochemischen Färbung (IHC) untersucht. Wenn sich hier ein unklares Ergebnis zeigt, sollte eine PCR (Polymerase-Kettenreaktion) zur Testung auf Mikrosatelliteninstabilität angeschlossen werden [13]. Lässt sich ein dMMR/MSI-H-Status in der molekularen Diagnostik nachweisen, kann Dostarlimab für eine Therapie bei Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom, das während oder nach einer Platin-basierten Therapie fortschreitet, in Betracht gezogen werden [3]. „Mit Dostarlimab ist eben eine personalisierte Therapieoption verfügbar für das rezidivierte und fortgeschrittene Endometriumkarzinom, wenn es genau diesen genomischen Phänotypen der Mikrosatelliteninstabilität zeigt“, so Prof. Rüschoff. Laut Dr. med. Norbert Marschner, Praxis für interdisziplinäre Onkologie & Hämatologie, Freiburg, hat die Testung auf dMMR/MSI beim EC bereits Einzug in die Praxis gefunden: „Bei früheren Patienten wurde das ja nicht getestet aus dem einfachen Grund, da es keine Konsequenz gehabt hätte. Aber wir haben das so gelernt: Wann immer wir ein neues Target haben, das wir auch mit einer molekularen Substanz adressieren können, setzen sich solche Testungen innerhalb eines halben Jahres zu 50 % durch, nach einem Jahr, zwei Jahren werden 80 % der Patienten getestet.“
Erste Erfahrungen aus dem Compassionate-Use-Programm mit Dostarlimab
Prof. Dr. med. Ingolf Juhasz-Böss, Universitätsklinikum Freiburg, stellte die Fälle zweier Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom vor, die im Rahmen des Compassionate-Use-Programms (CUP) mit Dostarlimab behandelt wurden. Die beiden über 80-Jährigen wurden nach ihrer Diagnose initial operiert und chemotherapeutisch behandelt. Nachdem es unter einer Platin-basierten Chemotherapie zu einem Rezidiv gekommen war sowie bei den Tumoren beider Patientinnen ein dMMR/MSI-H-Status nachgewiesen werden konnte, wurde die Behandlung mit Dostarlimab im Rahmen des CUP eingeleitet. Beide Patientinnen erhielten drei Zyklen, eine Weiterbehandlung mit Dostarlimab wurde empfohlen. Bei der ersten Patientin kam es zu einem stabilen onkologischen Befund, bei der zweiten Patientin zu einer deutlichen Größenregredienz einer Lungenmetastase. Abgesehen von einem initialen Hustenreiz nach Behandlungsbeginn bei der zweiten Patientin kam es durch Dostarlimab zu keinen nennenswerten Nebenwirkungen. „Selbst Patientinnen im höheren Alter und mit Komorbiditäten vertragen die Medikation sehr gut“, resümierte Prof Juhasz-Böss in der Podiumsdiskussion. Die positiven klinischen Erfahrungen außerhalb von Studien und insbesondere bei älteren Patientinnen betonte auch Dr. Marschner: „Es geht ja darum, übersetzen sich diese Studiendaten auch in die praktische Anwendung? Herr Juhasz-Böss hat das besser gezeigt als man sich vorstellen kann: Er hat eine 82-jährige und eine 83-jährige Patientin vorgestellt. Das ist eine Altersgruppe, in der es gerne einmal schwierig wird zu behandeln. Und das ging exzellent.“ PD Dr. med. Lars Hanker, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, wies auf die Wichtigkeit der gründlichen Erfassung aller Nebenwirkungen hin, um diese frühzeitig behandeln zu können. Dann sind laut Hanker die immunvermittelten unerwünschten Ereignisse gut behandelbar.
Seit dem 15.06.2021 ist Dostarlimab (Jemperli) in der Lauer-Taxe gelistet und somit in Deutschland verfügbar: Packungsgröße 1 Durchstechflasche pro Packung (PZN 16902236).
Referenzen:
- Makker V et al. New therapies for advanced, recurrent, and metastatic endometrial cancers. Gynecol Oncol Res Pract 2017; 4: 19
- Robert Koch-Institut. Krebs in Deutschland für 2015/2016. Korrigierte Fassung vom 17.08.2020. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_inhalt.html; abgerufen am 21.05.2021
- Fachinformation Jemperli, Stand April 2021
- Colombo N et al. Endometrial cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2013; 24 Suppl 6: vi33-38
- Lincoln S et al. Activity of paclitaxel as second-line chemotherapy in endometrial carcinoma: a Gynecologic Oncology Group study. Gynecol Oncol 2003; 88: 277–281
- Brooks RA et al. Current recommendations and recent progress in endometrial cancer. CA Cancer J Clin 2019; 69: 258–279
- Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft – Deutsche Krebshilfe – AWMF). S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnen mit Endometriumkarzinom. Version 1.0, 04/2018, AWMF-Registernummer: 032/034-OL. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Endometriumkarzinom/LL_Endometriumkarzinom_Langversion_1.0.pdf; abgerufen am 20.05.2021
- Hause RJ et al. Classification and characterization of microsatellite instability across 18 cancer types. Nat Med 2016; 22: 1342–1350
- Dudley JC et al. Microsatellite Instability as a Biomarker for PD-1 Blockade. Clin Cancer Res 2016; 22: 813–820
- Bonneville R et al. Landscape of Microsatellite Instability Across 39 Cancer Types. JCO Precis Oncol 2017; 2017
- Zamarin D, Jazaeri AA. Leveraging immunotherapy for the treatment of gynecologic cancers in the era of precision medicine. Gynecol Oncol 2016; 141: 86–94
- Kandoth C et al. Integrated genomic characterization of endometrial carcinoma. Nature 2013; 497: 67–73
- Luchini C et al. ESMO recommendations on microsatellite instability testing for immunotherapy in cancer, and its relationship with PD-1/PD-L1 expression and tumour mutational burden: a systematic review-based approach. Ann Oncol 2019; 30: 1232–1243
Quelle: GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG